Ab da, gab es weitere Wendepunkte in meinem Leben. Ich hatte bereits durch die Klinikaufenthalte als Kind aufgrund eines Geburtsfehler am Rücken und durch die vielen Umzüge mit den Eltern immer wieder lernen müssen, von Vertrautem loszulassen und mich neu einzustellen. Ich hatte in diesen schweren Momenten gelernt, wie ich neu Witterung aufnehmen konnte von dem, was mich irgendwie motiviert fühlen ließ. Ich hatte gelernt, mich durchzukämpfen. Ich hatte gelernt, bestmöglich wieder gut zu funktionieren. Ich hatte nicht gelernt, dem Leben zu vertrauen oder mir selbst. Ich hatte nicht gelernt, mich zu mögen. Meine tiefe Verunsicherung durch eine strenge und gewaltvolle Kindheit versuchte ich einfach nur durch Wissen und Leistung zu kompensieren.

Nach dem Beruf rief mich nun doch noch ein Studium, dann etliche Weiterbildungen und Zertifizierungen. Meine fehlende Selbstwertschätzung suchte ich über diese Außenwertschätzung. So gab es immer wieder eigene Fallen und die betriebsblinden Flecken meldeten sich, aber ich wollte sie nicht wahrhaben. Es kam zu Krankheiten, die mich schwer stolpern ließen. Ich merkte nicht, wie ich mit jedem Leistungsdruck mich körperlich sozusagen Stück für Stück mehr zerstörte. Schließlich riss der Körper die Reißleine und es kam zu einem satten Burnout, der mich sogar schwer zu Fall brachte.

Es war dieser Moment von einem ausweglosen, völligen Erliegen, der mir eine tiefe Erkenntnis schenkte durch eine mystische Erfahrung. Sie brachte mich auf einen neuen Weg. Erst wenn nichts mehr geht, wird man als Mensch offenbar wirklich leer und tatsächlich offen, für eine neue, eine andere Lebenshaltung. Ich hatte mir eingebildet oder eingeredet, in der Spur zu sein, habe mich im leistungsvollen Funktionsmodus dem Außen angepasst, zwischendurch immer mal angenehm abgelenkt, aber nicht wirklich hingehört. Denn es war nicht still genug. Selbst in den Meditationen nicht.

Als mir das erste Buch über Hochsensibilität in die Hände fiel, war es, als würden Tonnen von meinen Schultern stürzen. Mein bisheriges schlechtes Selbstbild zerbrach und ein neues konnte nach und nach entstehen. Ich fand in mir immer mehr Selbsterlaubnis und auch Selbstliebe für mich und mein Wesen. Alles ergab plötzlich Sinn, auch die Konflikte, das Ringen mit mir, die falschen Abzweigungen, die Verblendungen. Alles.

Heute weiß ich um die Kunst der feinen Unterscheidung. Die ewige Suche nach dem Sinn, nach Richtung und Orientierung führte mich nämlich eine Zeit lang in die esoterische Szene. Meine Gewissheit, die ich schon als Mädchen spürte, dass es eine mächtige Urkraft gibt, die größer ist als wir selbst und die alle Schöpfung lenkt, jedoch anders, als die Kirche es erzählte, wollte nun Anleitung für ein erfülltes Leben finden. Es  hat gedauert, bis mir die Verdrehung der Dinge, die Irrtümer und diversen Fehldeutungen dort deutlich wurden. Viele behaupteten Eingebungen zu haben und letztlich drehte es sich um Einbildung. Da wusste ich, ab sofort vertraue ich nur noch meiner eigenen Standleitung „nach oben“. Das gab meinem Leben nochmals einen mächtigen inneren Richtungswechsel.

Ab da erkannte ich die zuständigen Stellschrauben für die Neusausrichtung in meine wahre Kraft, mein wahres Sein, meine Erfüllung. Die Wirkkräfte meines Körpers waren mir sehr lange nicht bewusst, wie sie in diesem Lebensgewebe walten, Dinge verändern und neu auslösen. Von hier aus betrachtet und erlebt, war das Leben nicht mehr gegen mich, ungerecht oder schwer, wie einst gefühlt. Es entfaltete sich für mich und mit mir und begann mich zu tragen. Das war völlig neu für mich, auch ungewohnt und ich brauchte eine Weile es wirklich annehmen zu können. Hier gebar sich Vertrauen. Hier war ich  sicher. So entstand meine innere feinspürige Selbstführung und mein Leben in Liebe und Wahrheit. Highsensing Leadership. Still work in progress. On and on.